Auf KI-Basis

Rostocker Start-up erfindet EKG-App: So funktioniert der Herzcheck per Smartphone

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Volker Penne

Auf dem Brustkorb der Stralsunder Studentin für Gesundheitsökonomie, Hannah Maron, liegt ein Smartphone. Mit diesem werden im Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Rostock ihre Herzbewegungen erfasst und mittels Künstlicher Intelligenz in das Elektrokardiogramm umgewandelt. 
Quelle: Martin Börner

Es ist eine kleine Revolution im Medizinsektor: Das Start-up „Guardio Health“ hat eine App erfunden, die ein Elektrokardiogramm per Smartphone ermöglicht. Nach 30 Sekunden auf der Brust wird das Ergebnis dem Arzt auf einem Bildschirm angezeigt. Das Konzept und wie Forscher es bewerten.

Rostock. Er ist kleiner als eine Bleistiftspitze. Das menschliche Auge erkennt ihn kaum. Der Bewegungssensor aber steckt in jedem Smartphone. „Er dient der Bildstabilisierung des Telefons und spielt auch für unsere Herz-App eine große Rolle“, sagt Florian Höpfner. Denn mit Sensorhilfe werden Bewegungssignale des Herzens erfasst. „Diese wandeln wir mittels Künstlicher Intelligenz (KI) in ein Mehrkanal-Elektrokardiogramm (EKG) um“, so der Mathematiker.

Der Rostocker arbeitet im Start-up „Guardio Health“, das Ende des Jahres gegründet wird. Die zum Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung Rostock gehörenden Forscher wollen helfen, Herzprobleme schneller zu erkennen.

Arzt bekommt das EKG aufs Smartphone

Vor fünf Jahren hatte Diplomingenieur Marian Haescher während seiner Doktorarbeit die Idee, Bewegungs- in elektrische Signale zu wandeln. Konkret sollten die durch Herzmuskelfasern ausgelösten Bewegungen in ein Kardiogramm, wie es die Ärzte kennen, transformiert werden.

Marian Haescher leitet das in Gründung befindliche Rostocker Start-up „Guardio Health“.
© Quelle: Fraunhofer Institut (IGD) Rostock

Mit Helmut Tödtmann, einem Experten in Künstlicher Intelligenz, sowie Diplomkaufmann Frank Büttner war das Gründer-Quartett komplett. Hilfe gibt es durch eine vom Bundeswirtschaftsministerium vergebene Ausgründungsförderung, die zudem 250 000 Euro für die Anschaffung von Hard- und Software enthält.

Die Forscher haben die in Studien geprüfte Technik perfektioniert. Das Smartphone wird auf den Brustkorb der zu untersuchenden Person gelegt. Dreißig Sekunden vergehen. „Dann liegt dem Arzt auf dessen Smartphone ein EKG vor“, so Höpfner. Er demonstriert den Ablauf bei einer Testperson im Institut.

Aktuell sind meist zahlreiche Elektroden und ein Aufzeichnungsgerät – wie bei der Puppe (r.) – zum Erstellen eines EKG nötig. Florian Höpfner vom Rostocker Start-up „Guardio Health“ zeigt den Bildschirm eines Smartphones. Dieses hat die Herzbewegungen eines Probanden erfasst.
© Quelle: Martin Börner

Mit Helmut Tödtmann, einem Experten in Künstlicher Intelligenz, sowie Diplomkaufmann Frank Büttner war das Gründer-Quartett komplett. Hilfe gibt es durch eine vom Bundeswirtschaftsministerium vergebene Ausgründungsförderung, die zudem 250 000 Euro für die Anschaffung von Hard- und Software enthält.

Die Forscher haben die in Studien geprüfte Technik perfektioniert. Das Smartphone wird auf den Brustkorb der zu untersuchenden Person gelegt. Dreißig Sekunden vergehen. „Dann liegt dem Arzt auf dessen Smartphone ein EKG vor“, so Höpfner. Er demonstriert den Ablauf bei einer Testperson im Institut.

Gleichzeitig könne die Pumpleistung des Herzens gecheckt werden. Der Herzmuskel pumpt im Schnitt pro Minute vier bis sechs Liter Blut durch den menschlichen Kreislauf. Per Beschleunigungssignal ist zudem der Blutdruck des Patienten bestimmbar. Dafür reicht eine Aufzeichnungszeit von wenigen Sekunden.

„Revolutionäre Weichenstellung für Akutdiagnostik“

„Mithilfe der neuen App kann praktisch jeder Patient weltweit ein aussagefähiges EKG aufzeichnen. Es ist kein zusätzliches Gerät nötig“, betont Dietmar Bänsch. Der Chefarzt der Klinik für Rhythmologie und klinische Elektrophysiologie des KMG-Klinikums Güstrow (Landkreis Rostock) hat die Entwicklung des Rostocker Start-ups über Jahre verfolgt und unterstützt.

„Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob es sich um ein herkömmlich aufgezeichnetes EKG handelt oder dieses durch das KI-basierte Guardio Health erstellt wurde“, erläutert der Facharzt, der zu den Top-Rhythmologen in Deutschland zählt.

Die Rostocker Erfindung sieht auch Alexander Kaminski, Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Klinikum Karlsburg, als Top-Innovation: „Die Guardio-App liefert mit dem Mehrkanal-EKG per Smartphone eine revolutionäre Weichenstellung für die Akutdiagnostik, für Herzinfarkte, Schlaganfälle und herzrhythmisch bedingte Kreislaufprobleme.“

Der Notfallarzt könne vom Patienten per Handy die für ihn wichtigen Infos erhalten, die bei dem Sechs-Kanal-EKG bereits eine „sehr hohe Echtheitsrate“ besäßen, hebt Kaminski hervor.

Rostocker Erfinder suchen Investor

Die Zeit des aufwendigen Aufklebens der Elektroden und Bedienung herkömmlicher EKG-Geräte durch geschultes Personal könnte also bald vielfach entfallen. Und die Diagnose von Herzproblemen – laut Deutscher Herzstiftung leiden bundesweit beispielsweise mehr als 15 Millionen Bürger an Vorhofflimmern – weiter verbessert werden.

„Bis die Erfindung hierzulande als Medizinprodukt zugelassen wird, vergehen aber Jahre. Die Zulassungsstellen sind überlaufen“, bedauert Höpfner. Während für die Blutdruckbestimmung per Beschleunigungssignal bereits Patentschutz in Deutschland besteht, warten die Erfinder auf die Patentprüfung für die Umwandlung der Bewegungssignale des Herzens in ein Mehrkanal-EKG.

Die Ausgründung der Firma ist für Dezember geplant. „Derzeit sind wir vor allem in MV auf Investorensuche und sehr zuversichtlich“, so Höpfner. Etwa fünf Millionen Euro benötigt das Unternehmen für die kommenden fünf Jahre.

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