Gründer sehen Imageproblem

Start-ups fehlt es an Geld: Wie überzeugen junge Firmen aus MV Investoren?

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Jessica Orlowicz

Tobias Gebhardt (33) ist Chef der GWA Hygiene GmbH. Mit seinen Produkten, die einem einfacheren Alltag im Krankenhaus dienen, hat er sich auf dem Markt etabliert.
© Quelle: Christian Rödel

Start-ups fehlt es an Geld: Wie überzeugen junge Firmen aus MV Investoren?

Eine im Januar veröffentlichte Analyse zeigt: Nur ein Bundesland hat 2022 weniger Investoren angezogen als MV. Das liegt einerseits an den Gegebenheiten, andererseits an den Gründern, vermuten erfolgreiche Jungunternehmer aus der Region. Wie es mit dem Projekt Start-up-Finanzierung klappt.

Rostock. Fast zwei Jahre ist es her, da gingen Jörg Südkamp und Michael Potstada nach ihrem Auftritt in der TV-Show „Höhle der Löwen“ ohne einen Deal nach Hause. Doch die Rostocker Gründer haben an ihrer Überzeugungskraft gearbeitet: Sie sicherten sich jetzt eine 60-Millionen-Euro-Kreditlinie der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank aus Hessen. „Wir sind sehr dankbar“, sagt Michael Potstada mit Blick auf die Investition der Fintech-Bank. Für ihn und seinen Geschäftspartner war es ein weiter Weg hierhin – unter anderem, weil sein Start-up in Mecklenburg-Vorpommern liegt. „Wir haben am Anfang gemerkt, dass der Standort Rostock bei Kapitalgebern unüblich ist.“

Der Rostocker Michael Potstada (38) hat 2017 eine Steuererklärungs-App namens Zasta auf den Markt gebracht.
© Quelle: David Vendryes

Dass Jungunternehmer im Land offenbar noch immer wenig Geldgeber anziehen, zeigt eine im Januar veröffentlichte Analyse der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY. Demnach hat es 2022 nur im Saarland weniger Investitionen in Start-ups gegeben. Zwar sei das Gesamtvolumen der Finanzierungen in mehreren Ländern gesunken. Hierzulande habe es sich aber nahezu halbiert, von 14,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 8,5 Millionen Euro. Gründe sind der Untersuchung zufolge Unsicherheit um den Krieg gegen die Ukraine und die Konjunktur – das Geld saß bei den Investoren weniger locker.

„Da draußen wartet niemand auf ein Start-up aus MV“

Die Probleme einiger Start-up-Gründer, Investoren zu finden, bestätigt Tobias Gebhardt. „Da draußen wartet niemand auf ein Start-up aus Meck-Pomm“, sagt der 33-Jährige, Chef der GWA Hygiene GmbH aus Stralsund. Dahinter steckt aus seiner Sicht eine Art Imageproblem: „Unser Bundesland ist eher für Landwirtschaft, Werften und Tourismus bekannt. Dabei schlummert so viel Potenzial in uns.“ Es fehle nur noch der „Urknall“, ein Ereignis, das nachhaltig Investoren anlockt.

Tobias Gebhardt ist 33 Jahre alt und Chef der GWA Hygiene GmbH aus Stralsund. Er hat sich trotz Hindernissen bewusst entschieden, in MV zu gründen.
© Quelle: Christian Rödel

Mehr Sichtbarkeit funktioniert mit mehr mutigen Gründern

Hinzu komme, dass es mehr mutige Gründer brauche, um die Start-up-Szene in den Köpfen der Geldgeber zu etablieren. „An Ideen mangelt es sicher nicht. Aber wie es ist, sich selbstständig zu machen, spielt hier in der Ausbildung kaum eine Rolle“, berichtet der Jungunternehmer mit Blick auf seinen Werdegang an der Uni Rostock.

Was außerdem viele vom Gründen abhält, ist laut Vanessa Kersting, Chefin des digitalen Hofladens MV Liebe, die vergleichsweise geringe Kaufkraft hierzulande. Um es denjenigen, die sich trotz der oft schmaleren Gehälter der potenziellen Kunden für eine Firma in der Region entschließen, einfacher zu machen, wünscht sie sich mehr Kooperationen zwischen regionalen, etablierten Unternehmen und Start-ups. Die Wismarerin selbst hat ihre Geschäftsidee allein finanziert und sich über Mund-zu-Mund-Propaganda und soziale Netzwerke einen Namen gemacht.

Vanessa Kersting hat mit dem digitalen Hofladen MV Liebe den Neustarter-Preis gewonnen. Sie verzichtete bei der Gründung auf Investoren.
© Quelle: Nicole Hollatz

Start-up-Gründer aus MV: Netzwerken ist das A und O

Was die erfolgreichen Start-up-Chefs im Land eint, sind Durchhaltevermögen und Ideenreichtum. „Wir müssen nur raus und uns zeigen, um uns einen guten Ruf aufzubauen“, ist Tobias Gebhardt überzeugt. Entscheidend sei dabei, auch außerhalb der Landesgrenzen Kontakte zu knüpfen. „Ich habe mal ein Event veranstaltet mit zwei Investoren und acht Start-ups aus MV, die sagten danach: Wir hätten nie vermutet, dass bei euch so viel los ist.“

Am möglichen Zielort angekommen, gehe es darum, zu überzeugen, so der Jungunternehmer. Das funktioniert aus seiner Sicht am besten, wenn sich Gründer gut über den möglichen Investor informiert haben. Darüber hinaus zähle die Geschichte rund um das Produkt. „Es geht nicht darum, jede Funktion vorzustellen, sondern zu zeigen: Was ist das Problem und wie wird es gelöst?“, erklärt der 33-Jährige. Bestenfalls präsentierten Gründer etwas, das mit Technologie dazu beiträgt, die Herausforderungen dieser Zeit zu lösen.

Es ist ein Punkt, den Michael Potstada so unterschreibt. Er ist überzeugt: Wenn ein starkes Team mit einem guten Produkt ein großes Problem löse, sei der Standort sekundär. Heißt: „Wenn ein Kapitalgeber Rendite wittert, investiert er auch in Buxtehude.“ Es lohne sich also, mutig zu sein und zu gründen.

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